Rechtsextreme Sonnwendfeier? Reporter von Veranstalter abgewiesen ( und weitere Artikel zu Sonnenwendfeiern)

Eine Sonnwendfeier in Oderwitz steht bei Kritikern im Ruf, rechtsextrem zu sein. Die Polizei kann nichts daran finden – auch nicht daran, dass der Veranstalter keine Reporter zulässt.

Die Sommersonnenwende am 21. Juni wird als längster Tag des Jahres vielerorts gefeiert – oft mit einem großen Feuer. Seit Jahren sorgt eine solche Feier auf einer Wiese oberhalb von Niederoderwitz für Kritik. Etwa der Zittauer Verein „Augen auf“ argwöhnt, dass die Veranstalter dort völkische und germanische Riten mit rechtsextremem oder rechtsnationalen Gedankengut vermengen.

In diesem Jahr fand die Feier in der Nacht zum Sonntag statt. Offenbar gab es auch auswärtiges Medieninteresse daran. Weil die Veranstalter Reportern keinen Zugang zu der privaten Feier gewährten, rückte die Polizei an – die allerdings hatte an der Sonnwendfeier nichts zu beanstanden.

Ein Beamter der Polizeidirektion Görlitz teilt SZ auf Anfrage zu der Sonnwendfeier mit, dass es in der Nacht einen Beschwerdeanruf von Pressevertretern gegeben habe, die die Feier in Augenschein nehmen wollten, aber nicht auf das Gelände gelassen worden seien. Eine angerückte Polizeistreife sei daraufhin über einen längeren Zeitraum bei dem Fest anwesend gewesen. „Ein Verdacht auf Rechtsextremismus oder verbotene Symbolik hat sich dabei nicht einmal ansatzweise bestätigt“, so die Polizei.

Es habe sich um eine „ganz normale Feier mit Wikinger- und Mittelalter-Touch“ gehandelt. Einen Grund zum Einschreiten habe es nicht gegeben. Von welchem Medium die Reporter kamen, wollte die Polizei nicht mitteilen, es habe sich aber um ein größeres und bekanntes gehandelt.

Bürgermeister hat keine Bedenken mehr

Im vorigen Jahr hatte sich Oderwitz‘ Bürgermeister Cornelius Stempel (parteilos) noch beunruhigt wegen der Sonnwendfeier gezeigt. Er befürchtete, dass ein Schatten auf Oderwitz fallen könnte, wenn es dort rechtsextreme Treffen gebe – zumal auch das Landesamt für Verfassungsschutz die Oderwitzer Sonnwendfeier wegen dieses Verdachts im Visier hatte. Laut dem Verein „Augen auf“ gab es bei den Teilnehmern personelle Verflechtungen zum rechtsextremistischen Spektrum.

Der Veranstalter der Feier hatte bei einem Auftritt im Gemeinderat nach dem Fest 2022 alle Vorwürfe bestritten. Er und die Teilnehmer würden mit dem Fest keinerlei politische Absicht verfolgen. Es sei einst im Freundeskreis aus Liebhaberei zu mittelalterlichen Bräuchen entstanden.

In diesem Jahr reagierte Bürgermeister Stempel im Vorfeld der Veranstaltung auf SZ-Nachfrage entspannter. „Wir haben keine Befürchtungen, da das Fest zwar immer stattgefunden hat aber keine Auswirkungen auf die Gemeinde hatte“, sagt er. Die Veranstalter hätten wie jedes Jahr ordnungsgemäß das Feuer angemeldet. Er habe auch den Ortspolizisten gebeten, sich den Veranstaltungsort vorher anzuschauen.

Das sei am Donnerstag vor dem Fest geschehen, als die Veranstalter gerade mit dem Aufbau beschäftigt waren. Der Bürgerpolizist habe dabei auch mit den Veranstaltern gesprochen. „Er hat nichts festgestellt, was ein Einschreiten rechtfertigen würde“, so Stempel. Der Verein „Augen auf“ habe an Oderwitzer Haushalte Postwurfsendungen geschickt, in denen auf eine „völkische Gemeinschaftsfeier“ hingewiesen werde. Er aber habe weder Grund noch Handhabe, gegen die Sonnwendfeier vorzugehen.

Auch die Polizeidirektion Görlitz hatte im Vorfeld der Feier keine bedenklichen Erkenntnisse zu Inhalt oder Teilnehmern. „Uns liegen keine polizeilichen Erkenntnisse über die Teilnehmer und zu einem möglichem rechtsextremen Hintergrund vor. Aus den Erfahrungen der letzten Jahre kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Teilnehmer einen Bezug zum Mittelalter haben“, hieß es auf SZ-Anfrage.


Anja Beutler Sächsische Zeitung 06.07.2022

Sonnenwendfeier Oderwitz: Organisatoren bestreiten Vorwürfe

Ein Oderwitzer Mitstreiter des Festes erklärt im Gemeinderat, man habe sich von der politischen Bühne abgekapselt. Daran gibt’s Zweifel.

Obwohl das Thema gar nicht separat auf der Tagesordnung stand, war es eines der umfangreichsten und auch wichtigsten an diesem Montag im Oderwitzer Gemeinderat. Wie angekündigt, informierte Bürgermeister Cornelius Stempel (parteilos) über den Stand der Dinge zur „Sonnenwendfeier Niederoderwitz“, die in den vergangenen Tagen in einem Blogeintrag von „Recherche Ostsachsen“ thematisiert und auch von der SZ aufgegriffen wurde. Demnach steht der Verdacht im Raum, dass die Teilnehmer an der Feier Kontakte zu Gruppierungen mit völkischem und rechten Gedankengut unterhalten beziehungsweise selbst dazugehören.

Auch der Landesverfassungsschutz kennt die Veranstaltung und prüfte nach einem Anfangsverdacht 2018 – ebenso wie in diesem Jahr – ob bei der Veranstaltung verfassungsfeindliche Symbole gezeigt worden sind. 2018 war nichts Auffälliges gefunden worden. Die aktuellen Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Die Gemeinde ist weiterhin mit dem Verfassungsschutz in Kontakt, erklärte der Bürgermeister. Stempel gab in diesem Zusammenhang zu, dass er nach dem überraschenden Bekanntwerden der doch massiven Vorwürfe in dem Blogeintrag zunächst mit der Situation überfordert gewesen sei. Inzwischen habe die Gemeinde aber analysiert und sich Partner gesucht, um adäquat reagieren zu können.

Mitorganisator in Gemeinderat eingeladen

Cornelius Stempel machte gleichwohl deutlich, dass er auch das Gespräch mit den Organisatoren und Anmeldern des Feuers suche. Einer von ihnen – der Oderwitzer Raik Molitor – war auf Einladung des Bürgermeisters in die Ratssitzung gekommen. Die Angaben, die er gegenüber dem Bürgermeister bereits gemacht hatte – man habe keinerlei politische Hintergedanken, sondern veranstalte ein mittelalterliches Feuer mit Nachbarn, das einen privaten Charakter trage – bestätigte er nochmals im Rat: Es habe als „Fest im Freundeskreis angefangen auf mittelalterlicher Basis“ und sei nach wie vor eine Privatveranstaltung. „Ich bin Oderwitzer, wir wollen dem Ort nichts Böses“, sagte Molitor in der Sitzung und fügte mit Blick auf politische Strömungen hinzu: „Wir haben uns von einer politischen Bühne abgekapselt.“

Auf den Zwischenruf eines der Gäste im Rat „wer denn da nun wieder Öl ins Feuer gegossen habe“, wo es sich doch augenscheinlich um eine normale Sonnenwendfeier handele, ergriff Dorothea Schneider vom Verein „Augen auf“ das Wort. Der Verein betreibt seit Jahren im Landkreis Demokratiebildung, klärt über verfassungsfeindliche und rechte Umtriebe oder zweifelhafte Symbolik auf. Sie betonte, niemand habe ein Problem, „wenn es sich um eine normale Sonnenwendfeier“ handele. Bei den Veranstaltungen in Niederoderwitz in den vergangenen Jahren habe es aber vor allem personelle Verflechtungen zu verschiedenen Parteien und Gruppierungen von AfD über NPD, Identitäre Bewegung oder anderen völkischen Gruppierungen gegeben. „Ich weiß von Leuten, die in Oderwitz für das Völkische rekrutiert worden sind“, fügt sie an.

Solche Entwicklungen will Cornelius Stempel verhindern: „Wir müssen den Ruf der Gemeinde schützen“, betonte er. Vermutlich werde man als Verwaltung die Hintergründe nicht aufklären können, aber man werde die Lage weiter beobachten. Abgesehen davon werde man im kommenden Jahr mit Blick auf Trockenheit und Brandschutz genauer hinsehen. In diesem Jahr hatte es Kritik und Diskussionen an der Zulassung des hohen Feuers trotz hoher Waldbrandwarnstufe im Kreis gegeben.


Statement zum Umgang mit Sommersonnenwendfeiern im Landkreis Görlitz

Mit großer Sorge stellen wir fest, dass unter den in diesem Jahr im Landkreis Görlitz veranstalteten Sommersonnenwendfeiern erneut einzelne den offenen Anschluss an völkische und nationalsozialistische Brauchtumspflege zelebriert haben.

Besonders heraus gestochen ist in diesem Jahr eine Veranstaltung in Herrnhut im Ortsteil Strahwalde. Am Nachmittag und Abend des 22. Juni 2024 vollzog sich hier ein Ritual, bei dem der Stil, die Auswahl der Lieder und die Inhalte der sogenannten Feuersprüche einen eindeutigen Bezug zur Hitlerjugend aufwiesen. Unter Begleitung von typischen Trommelschlägen zogen die auffallend zahlreich in weißen Hemden gekleideten jungen Männer  neben anderen Männern und Frauen in Trachten zum Holzstapel. Mit Fackeln vollzogen sie eine Zeremonie, in deren Ergebnis sie den Stapel entzündeten.

Nachdem dies erfolgt war, stimmten sie unter anderem das Lied Nur der Freiheit gehört unser Leben an, das Hans Baumann 1935 eigens für die Hitlerjugend gedichtet hat. Anschließend sagten einzelne Teilnehmer*innen Feuersprüche auf, die die Anwesenden mit einem lautstarken „Heil Sonnenwende“ bejahten. Darunter Sprüche auf „die deutsche Jugend“. Einer rief, sie würden ihre „Leben der Ehre Deutschlands“ widmen und sie schworen „auf das Deutsche Volk und auf Deutschland“.

In einem der letzten Feuersprüche wurde dem „Löbauer SS-Standartenführer Max Wünsche“ gehuldigt. Wünsche war Nationalsozialist der ersten Stunde, Mitglied der HJ seit 1932, diente Adolf Hitler persönlich als Ordonanzoffizier und war im Zweiten Weltkrieg zuletzt verantwortlich für den Aufbau der 12. SS-Panzer-Division „Hitlerjugend“, in der massenhaft Hitlerjungen rekrutiert und unter seiner Kommandantur in den Krieg geschickt wurden. Im selben Atemzug ehrten die Teilnehmenden zugleich sämtliche Ritterkreuzträger, also Soldaten, die im Rahmen der nationalsozialistischen Kriegsführung für ihre Leistungen ausgezeichnet wurden.

Unter den Anwesenden war auch der Militär-Historiker Peter Hild, der seit ein paar Jahren in Mittelherwigsdorf lebt und sich bestens mit den Ritterkreuzträgern auskennen dürfte. Seit den 1990er Jahren nahm er wiederholt an Treffen der „Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger e.V.“ teil.

Auf seinem Facebookprofil ehrt er einzelne von ihnen zu gegebenen Anlässen. Dank des erfolgreichen Abschneidens seines Parteifreundes Harry Fröhlich erhielt auch Hild bei der Wahl zum Gemeinderat am 9. Juni 2024 auf der Liste der sogenannten Alternative für Deutschland einen Sitz im Gemeinderat vom Mittelherwigsdorf.

Die ganze Veranstaltung fand auf einem Grundstück statt, das aktuell von der Familie Dienel aus Herrnhut gepachtet wird und nach Aussagen eines Teilnehmers der Veranstaltung durch diese eigens dafür zur Verfügung gestellt wurde. Derselbe Zeuge behauptete zudem, dass die Familie selbst zu den Teilnehmenden gehört habe.

Kristina Dienel wurde bei den jüngsten Kommunalwahlen für die Freien Sachsen in den Herrnhuter Stadtrat und den Kreistag des Landkreises Görlitz gewählt.

Auf Facebook verteidigte die angehende Stadträtin die völkische Veranstaltung als harmlose Traditionspflege. Maßgeblicher Organisator scheint aber Stephan Jurisch (geb. Roth) aus Oybin gewesen zu sein – ein Informationsflyer, der an Anwohner*innen verteilt wurde, war von ihm unterschrieben. Jurisch war u.a. in der inzwischen verbotenen neo-nationalsozialistischen Heimattreuen Deutschen Jugend aktiv.

Am selben Abend fand wenige Kilometer entfernt auch in Niederorderwitz eine Sonnenwendfeier statt. Dort ist die Veranstaltung schon seit vielen Jahren etabliert. Das Verhältnis zur nationalsozialistischen Tradition ist hier eher durch unterlassene Distanzierung und Interpretationsspielräume bestimmt. Der Charakter der Feier ist vorgeblich stärker an heidnische Bräuche angelehnt.

Dass aber zum Beispiel auch in diesem Jahr am Holzstapel eine Tiwaz-Rune prangte, die auch das Erkennungszeichen der Hitlerjugend, einer SS-Freiwilligendivision und als Abzeichen der SA-Reichsführerschulen verwendet wurde, ist zumindest erneut Anlass genauer hinzusehen. Nachdem es im vergangenen Jahr zum wiederholten Male eine öffentliche Auseinandersetzung über das Event in Niederoderwitz gab, wäre eine entsprechende Klarstellung und deutliche Distanzierung seitens des Veranstalters oder wenigstens mehr Aufmerksamkeit der Behörden zu erwarten gewesen – nichts dergleichen scheint der Fall zu sein.

Bei der im Ortsteil Niederoderwitz durchgeführten Sonnenwendfeier handelt es sich unserer Einschätzung nach um eine Brauchtumsfeier, die in ihren Elementen mindestens an völkisch-heidnische Rituale angelehnt ist. In der Gestaltung ähnelt sie wie auch jene in Herrnhut auffallend den Sonnenwendfeiern der 2023 verbotenen Artgemeinschaft, Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V..

Neben dem üblichen Balkenfeuer, dessen „gemeinschaftlicher Aufbau“ am ersten Tag stattfand und das in einem „heidnischen Ritual“ entzündet wurde, gehörte laut Veranstaltungsflyer auch die Errichtung eines Questenbaumes zum Programm. Entgegen der Behauptung eines Mitorganisators bei der Gemeinderatssitzung 2023, dass es sich hierbei um eine Privatveranstaltung im Kreis von Nachbar*innen und Freund*innen handele bzw. es eine Veranstaltung für Oderwitzer*innen sei, wurden wohl gezielt gewisse Kreise angesprochen und ist die Feier in Oderwitz eher unbekannt.

Die Einladungsflyer wurden nicht öffentlich ausgelegt, sondern gezielt verteilt und die Teilnehmenden gebeten sich im Vorfeld anzumelden. Laut Aussagen von Besucher*innen, kommen die Teilnehmenden u.a. auch aus der Schweiz, Ungarn und Österreich. Zudem wurde mit einem „Unkostenbeitrag“ eine Alternative zu Eintritt genommen.

Seit 2018 habe das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz die Veranstaltung im Blick. 2022 erregte die Feier durch Veröffentlichung eines Rechercheartikels (https://rosainfo.noblogs.org/sommersonnenwende-oderwitz/) das Aufsehen der Öffentlichkeit und führte zu Diskussionen über ihre Bewertung.

Mitorganisator Raik Molitor habe laut Berichten der Sächsischen Zeitung ausgesagt, die Veranstalter*innen hätten sich „von einer politischen Bühne abgekapselt“. Genau für diese mutmaßliche Schutzbehauptung fehlt jedoch der Beweis.

Stattdessen werden nun bereits seit vielen Jahren an besagtem Ort Sonnenwendfeiern unter Abkapselung von der Öffentlichkeit veranstaltet, die für neonazistische Politik Anschluss bieten. Symbole wie das nationalsozialistische Gegenstück zum Christenkreuz (Irminsul), das Symbol der verbotenen „Wiking Jugend“ (Odalrune) oder der Hitler-Jugend (Tiwarz- oder Tirrune) wurden über mehrere Jahre gesichtet und dokumentiert.

Auch personell konnten in der Vergangenheit die Teilnahme von rechten bis neonazistischen Akteur*innen sowie die Mitwirkung einer Band wie „Waldtraene“, die mit dem Label „Asatru Klangwerke“ zusammenarbeitet, festgestellt werden.

Der verdichtete Eindruck einer unterlassenen Distanzierung von oder gar der offene Bezug zu völkischem Gedankengut und dessen Vertreter*innen veranlasste die Demokratie AG Ostsachsen, im vergangenen Jahr mit einem Aufklärungsflyer auf die Veranstaltung aufmerksam zu machen.

Dieser wurde in Oderwitz an sämtliche Haushalte verteilt. Antrieb war nicht zuletzt die Sorge, dass völkische Strukturen und Netzwerke in Ostsachsen unbehelligt ihre Aktivitäten und ihre Mitgliederzahlen ausbauen können. Ziel war es, die Bevölkerung von Oderwitz für eine Veranstaltung zu sensibilisieren, die sich entsprechend neurechter Strategien als Beitrag zum lokalen und regionalen Gemeinwesen inszeniert, deren Veranstalter*innen sich damit in der Gesellschaft etablieren wollen, um schließlich ihre politischen Anschauungen auf dem Pfad persönlicher Verbundenheit zu verbreiten.

Der Flyer der Demokratie AG Ostsachsen war außerdem als Unterstützung kommunaler Politik gedacht, die sich in der Verantwortung sieht, mit einem Problem umzugehen, für das in der Bevölkerung nur wenig Bewusstsein besteht. In der lokalen Presse wurde der Flyer in einer Weise aufgegriffen, die die darin angemeldeten Bedenken als überzogen oder gar unberechtigt erscheinen lässt.

Dem Redakteur gab scheinbar weniger die Veranstaltung selbst, sondern vielmehr ein Zwischenfall mit Pressvertreter*innen Anlass einen Artikel zu verfassen. Auswärtigen Journalisten war durch Teilnehmer der Sonnenwendfeier Recherche für einen Bericht über die Veranstaltung untersagt worden.

In dem Artikel, der am 25. Juni 2023 auf der Website der Sächsischen Zeitung publiziert wurde, wird die Darstellung der am Abend zur Konfrontation zwischen Veranstaltungsteilnehmern und Presse hinzugezogenen Polizei wiedergegeben.

Dabei machte sich der Redakteur die Einschätzung zu eigen, dass die Überprüfung der Veranstaltung den „Verdacht auf Rechtsextremismus oder verbotene Symbolik“ nicht habe erhärten können und es sich stattdessen um eine „ganz normale Feier mit Wikinger- und Mittelalter-Touch“ gehandelt habe.

So lautete auch die historisch eher zweifelhafte Erläuterung zum Charakter der Veranstaltung, die die Teilnehmer der abgewiesenen Presse auftischten. Das mythische Fundament rechter Ideologie wird damit als unpolitischer Freizeitspaß verharmlost. Die von rechten Strukturen und Akteuren kultivierte Verengung deutscher Traditionsbestände auf eine vom Christentum bereits im Frühmittelalter überlagerte, erst im Zusammenhang mit der nationalen Romantik des 19. Jahrhunderts wieder ausgegrabene und vergleichsweise unbedeutende germanische Wurzel, wird hier politisch instrumentalisiert und wäre insofern zu dekonstruieren. Es liegt der Verdacht nahe, dass sich die historisch und politisch unkundige Polizei diesen Germanen im Wikingerpelz hat aufbinden lassen.

Unglücklicher Weise hat die Sächsische Zeitung es dann nur noch abgeschrieben. Zwar wird im Artikel die Diskussion über die Veranstaltung im Vorjahr erwähnt, jedoch inhaltlich nicht weiter gewürdigt. Angesichts der wesentlich differenzierteren Berichterstattung der Sächsischen Zeitung über die Veranstaltung im Jahr 2022 wäre hier eine ausreichende Grundlage für die adäquate Einordnung vorhanden gewesen. Es entsteht der Eindruck, als sei all dies in diesem Jahr nicht mehr von Relevanz.

Wir bemängeln diese offenkundig ungenügende Recherche, bzw. undifferenzierte Darstellung. Umgang der Polizei und des Redakteurs mit der Sonnenwendfeier werfen dabei vor allem die Frage auf, wie es um das Bewusstsein für Aktivitäten antidemokratischer Akteur*innen und Strukturen in der Region bestellt ist.

Die wahrnehmbare Verharmlosung neu-rechter Strategien und Akteur*innen bereitet uns umso größere Sorge. Das eben dieser Umgang dazu führt, dass solche Feiern sich immer weiter ausbreiten und etablieren, zeigt die Zunahme der Sonnenwendfeiern im Landkreis.

Das vor allem in Strahwalde kein abgelegener, unbeobachteter Ort gesucht wurde und die Feier direkt im Ort und nur wenige Meter von den Wohnhäusern entfernt stattfand, zeigt deutlich, dass die Veranstalter*innen sich durch ausbleibende Konsequenzen und fehlgeleitete Toleranz legitimiert sehen.

Das im Beisein der Polizei oben beschriebene Handlungen begangen und entsprechende Bilder erzeugt werden konnten, war auch durch das fehlende Hintergrundwissen seitens der Beamt*innen zu völkisch-nationalistischer Vereinnahmung solcher Rituale möglich.

Wir erwarten von der Polizei, dass sie sich mit den ideologischen Hintergründen solcher Veranstaltungen und den Gefahren, die von ihnen ausgehen, auseinandersetzt und zu einer eigenen Einschätzung der Sachlage kommt, anstatt sich die Beschwichtigungsversuche der Veranstalter*innen anzueignen und das Problem herunterzuspielen.

Die Verfassungsschutzbehörde sollte überdies nicht nur Informationen sammeln, sondern ihre Erkenntnisse der Öffentlichkeit oder mindestens den politisch Verantwortlichen kommunizieren, damit ein entsprechender Umgang mit solchen Strukturen und Veranstaltungen gefunden werden kann.

Wir erwarten von den Veranstalter*innen, dass sie ihre Behauptung über den unproblematischen Charakter untermauern und den Verdacht ausräumen, dass die Oderwitzer Sonnenwendfeier rechten Netzwerken Anlass und Raum ist, ihre völkische Gesinnung auszuleben und zu verbreiten.

Pressevertreter*innen bitten wir um eine kontinuierliche verantwortungsbewusste Recherche und entsprechend ausgewogene Berichterstattung, die nicht durch Fahrlässigkeit die Dimension des Problems herunterspielt.

Die Demokratie AG ist ein Netzwerk aus 14 zivilgesellschaftlichen Trägern, die sich gemeinsam schwerpunktmäßig mit bestehenden rechten Strukturen auseinandersetzen, menschenverachtenden Meinungsbildern widersprechen und der Missachtung der Menschenrechte in der Region Ostsachsen entgegentreten.

Durch uns werden Bürgerschaft, Zivilgesellschaft, Vertreter*innen der kommunalen Politik über aktuelle Entwicklungen (weiter) aufgeklärt. Wir sind für alle demokratischen Kräfte ansprechbar und wollen diese befähigen, sich aktiv und kritisch mit den genannten Themen zu beschäftigen. Dies gilt auch für Journalist*innen, die über diese Themen in der Region berichten und dabei offene Fragen haben.


Sonnwendfeier in Strahwalde mit Naziliedern und SS-Huldigung?

Nach Schilderung eines Augenzeugen zeigt eine Feier in Strahwalde klare Nähe zu Nazi-Riten – und mehr. Mitorganisatorin: Eine für die rechtsextremen Freien Sachsen gewählte Stadträtin.

Auf dieser Wiese in Strahwalde fand die Sonnwendfeier statt – dabei war auch die künftige Herrnhuter Stadträtin Kristina Dienel.

Die Sommersonnenwende kennzeichnet den längsten Tag und die kürzeste Nacht im Jahr. Schon immer hatte dieses Datum mythische Bedeutung. Und bis heute ist die Sommersonnenwende Anlass für Feiern im Freien – üblich ist das Entzünden eines Feuers mit Tanz und Gesang.

In der Nacht des 22. Juni soll eine solche Feier in Strahwalde eine erhebliche völkische Tendenz angenommen haben – samt Absingen von Nazi-Liedern und Huldigungsriten für einen SS-Verbrecher. Und das auf dem Grundstück (und unter Teilnahme) der erst jüngst in den Herrnhuter Stadtrat und den Kreistag gewählten Unternehmerin Kristina Dienel. Ein Augenzeuge erzählt in der SZ.

Schauplatz der Sonnwendfeier war eine Wiese am Ortsrand von Strahwalde. Felix Pankonin, aktiv bei der Zittauer „Demokratie AG Ostsachsen“, hatte von der Veranstaltung erfahren und sie in Augenschein genommen.

Er schildert: „Unter Begleitung von typischen Trommelschlägen zogen die auffallend zahlreich in weißen Hemden gekleideten jungen Männer neben anderen Männern und Frauen in Trachten zum Holzstapel. Mit Fackeln vollzogen sie eine Zeremonie, in deren Ergebnis sie den Stapel entzündeten.“ Anschließend hätten sie das Lied „Nur der Freiheit gehört unser Leben“ angestimmt, das Hans Baumann 1935 eigens für die Hitlerjugend gedichtet hatte.

Huldigung für SS-Verbrecher?

Jener Hans Baumann ist in der Tat eine überaus problematische Figur. Sein bekanntestes Lied ist „Es zittern die morschen Knochen“. Das hatte er zwar noch vor der Nazizeit und vor seinem Parteibeitritt 1933 als Jugendlicher während seiner Mitgliedschaft in einem katholischen Jugendbund verfasst. Doch schon 1935 wurde es zum offiziellen Lied der „Deutschen Arbeitsfront“ – passte es doch mit seiner berüchtigten Textzeile „heute gehört uns Deutschland, und morgen die ganze Welt“ perfekt in den Nazi-Wahn vom „Totalen Krieg“. Das Lied ist heute verboten. Sein nicht verbotenes Werk „Die Morgenfrühe das ist unsere Zeit“ ist in rechtsextremen Kreisen beliebte Liedlyrik.

„Anschließend sagten einzelne Teilnehmer Feuersprüche auf und riefen lautstark „Heil Sonnenwende““, schildert Pankonin weiter und beurteilt das Ganze als „ein Ritual, bei dem der Stil, die Auswahl der Lieder und die Inhalte der sogenannten Feuersprüche einen eindeutigen Bezug zur Hitlerjugend aufwiesen“.

Mögen all diese Dinge zumindest verstörend sein, ist Pankonin überzeugt, dass bei dieser Feier auch die Grenze zur Strafbarkeit überschritten wurde. „Teilnehmende der Sommersonnenwendfeier huldigten nationalsozialistischen Organisationen“, sagt er. In einem der Feuersprüche nämlich wurde dem „Löbauer Standartenführer Max Wünsche gehuldigt“, so Pankonin.

Der aus Kittlitz stammende Wünsche war seit 1933 Mitglied der SS, diente später Adolf Hitler persönlich als Ordonanzoffizier. Ab 1943 war Wünsche mitverantwortlich für den Aufbau der 12. SS-Panzer-Division „Hitlerjugend“. Ausgezeichnet mit dem „Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern“ war er einer der höchst dekorierten Soldaten der Nazi-Streitkräfte. Da die SS eine verbrecherische Organisation war, sieht Pankonin in Huldigungen für einen SS-Angehörigen ein strafbares Handeln.

„Im selben Atemzug ehrten die Teilnehmenden der Sonnenwendfeier zugleich sämtliche Ritterkreuzträger, also Soldaten, die im Rahmen der nationalsozialistischen Kriegsführung für ihre Leistungen ausgezeichnet worden sind“, schildert Pankonin.

„Verfassungsschutz beschäftigt mit Einordnung der Feier“

Bedenklich findet Pankonin auch den Ort der Feier: „Die ganze Veranstaltung fand auf einem Grundstück statt, das Familie Dienel aus Herrnhut zur Verfügung gestellt hat“, sagt er. Kristina Dienel, die nach eigenen Angaben selbst teilgenommen hat, wurde jüngst für die rechtsextremen Freien Sachsen in den Herrnhuter Stadtrat und den Kreistag des Landkreises Görlitz gewählt.

Pankonin zu der Feier: „Obwohl das Problem seit mehreren Jahren bekannt ist, finden die Veranstaltungen immer wieder unbehelligt in aller Öffentlichkeit statt. Durch fehlende Sensibilität oder einen unkritischen bis verharmlosenden Umgang seitens der zuständigen Behörden, wird öffentlicher Raum für nationalistisch-völkische Veranstaltungen überlassen.“

Zwar fänden die Sonnenwendfeiern in der Regel auf Privatgrundstücken statt, „jedoch zeigt gerade das Beispiel in Herrnhut, wo mitten in einem Wohngebiet gefeiert wurde, dass die Teilnehmenden keine Anstrengungen unternehmen, ihre antidemokratische Versammlung vor der Öffentlichkeit zu verbergen“, so Pankonin.

Pankonin schildert, er habe wegen der SS-Huldigung vor Ort Strafanzeige bei anwesenden Polizisten erstattet. Das bestätigt die Polizei auf SZ-Anfrage. Weiter heißt es von der Polizei zu der Feier:

„Im Zusammenhang mit der Veranstaltung wurden durch die Polizei keine strafbaren Handlungen festgestellt, lediglich verkehrsrechtliche Verstöße ohne Sachzusammenhang.“ Und was die von Pankonin beschriebene uniformartige Aufmachung mancher Teilnehmer betrifft:

„Die Personen trugen trachtenartige Kleidung, hielten ein Ritual zur Sonnenwende ab. Der Verfassungsschutz beschäftigt sich mit der Einordnung der Feier. Des Weiteren verlief die Sonnenwendfeier friedlich und ohne Störungen.“

Die SZ hätte gerne auch Kristina Dienel zu dem Vorgang befragt. Bei einem Anruf im Bio- und Blumenladen Dienel in Herrnhut hieß es:

„Hier gibt’s keine Kristina Dienel!“ Auf den Vorhalt, dass Kristina Dienel aber im Impressum als Verantwortliche für die Internetseite des Ladens stehe, kam die Antwort: „Das Impressum ist veraltet.“ Darüber hinaus sei es eine „Unverschämtheit“, im Laden anzurufen wegen Sachen, die den Laden nicht betreffen würden.

Als Adresse des „Bündnis Oberlausitz“ ist im Impressum ebenfalls Kristina Dienel angegeben – unter der gleichen Adresse wie der Herrnhuter Laden. Unter der dort angegebenen Mobilnummer war Kristina Dienel nicht erreichbar. Auf ihrer eigenen Facebookseite schrieb Dienel zu jener Feier:

„Bereits vor Jahrhunderten wurde damit für eine unter anderem gute Ernte getanzt! Und wenn ich dann hören muss dies ist eine „erfundene Sache“ von braunen Denkern….was soll ich dann noch Antworten! Jeder Ansatz ist sinnlos hier Traditionen zu erklären. Ihr möchtet es einfach nicht, so wie ihr tatsächlich auch keine Demokratie wünscht!“ (SZ)

Korrekturhinweis, 10. Juli 2024, 10.30 Uhr: In einer ursprünglichen Fassung dieses Textes war der Familienname von Felix Pankonin falsch benannt. Wir bitten um Entschuldigung.